Rech Ernst
Ernst Rech
* 11.8.1891 in Langenthal
† 3.5.1913, in Dübendorf/Zürich
Geschichte
FLUGPIONIER ERNST RECH
1891–1913
HANS STARK
Am 3. Mai 1913, vor 50 Jahren, erschien ein Extra-Bulletin des «Oberaargauer Tagblatt», das die traurige Nachricht verbreitete:
Flieger Rech abgestürzt
Dübendorf, 3. ds. Ernst Rech, Fluglehrer in Dübendorf, stieg heute nachmittag 2¼ Uhr vom Flugplatz Dübendorf mit dem Kunklerapparat auf, um sich nach Olten zu begeben, wo er morgen Sonntag zugunsten derMilitäraviatik Schauflüge veranstalten wollte. Beim Aufstieg geriet er in einen Wirbelwind und stürzte aus einer Höhe von zirka 100 Meter ab. Rech wurde schwer verletzt in das Kantonsspital nach Zürich transportiert.Zürich, 3. ds., nachmittags 4.50. Der Flieger Rech wird soeben durch den
Chefarzt untersucht; Rech ist schwer verletzt; er zog sich beim Sturz schwere Beckenbrüche und innere Verletzungen zu. Genaueres kann erst nach vollzogener Untersuchung mitgeteilt werden.Ernst Rech, der am 11. August 1891 in Langenthal geboren wurde, hatte im Juli begonnen, sein erstes Flugzeug, einen Eindecker, zu bauen. Er hatte das Technikum besucht und sich für seine damals kühnen Pläne die nötigen Voraussetzungen erworben. Die Bevölkerung betrachtete seinen Versuch skeptisch,ja sogar lächelnd, wie dies eine Notiz unter den Lokalnachrichten derZeit beweist:
Einen Motorschlitten
kann man in Langenthal jeweils beim Abenddämmern durch das Huttwilbahnsträsschen sausen sehen. Schon von weitem macht sich das eigenartige, niedrige Gefährt durch lautes Rattern und durch das Surren des Propellers, der hinter dem Lenker des Schlittens angebracht ist, bemerkbar. Das neuartige Vehikel — «Aviatiker Davoser» nannte es letzten Abend einer der zufälligen Zuschauer — ist lenkbar und schneidig, und sicher nimmt es die Kurven in den Strassenbiegungen. Es ist ein junger hiesiger Mitbürger, der sich ebenfalls schon mit dem Problem der Flugmaschine beschäftigt, welcher er sich mit dem Ausstudieren des allerneusten Beförderungsmittels, des Motorschlittens, abgibt. Kein Zweifel, auch dieser Wintersport wird seine Anhänger und passionierten Liebhaber finden.
Später verlegte Ernst Ruch seine Versuche nach der Kaltenherberge und machte dort seine ersten Sprünge bis 500 Meter.
Die Zeitung weiss zu berichten:
Aviatik
Unser Langenthaler Luftschiffer liegt Tag für Tag seinen Versuchen bei der «Kaltenherberge» drunten ob. Wenn es ihm bisher auch noch nicht gelang, sich frei und stolz in die Lüfte zu erheben, so sieht man doch schon jetzt, dass der Flugapparat, dessen hintere Partie sich bei den Vorwärtsbewegungen leicht und rasch vom Boden erhebt, bei richtigem Ausbalancieren und vielleicht einigen kleinen Konstruktionsänderungen flugtüchtig werden wird. Probieren geht auch hier über studieren. Nachteilig werden die Versuche beeinflusst durch die zur Verfügung stehende viel zu kurze Anlaufbahn. Zahlreiche Zuschauer verfolgen jeweils neugierig die interessanten Übungen des jugendlichen Luftfliegers, der zuversichtlich der endlichen Lösung der schwierigen Aufgabe entgegenblickt. – «Nüt nala gwinnt.»
Noch im gleichen Jahr (1910) baute Ernst Rech dann in Dübendorf einen neuen Eindecker, der an den Berner Flugtagen vom 8. bis 10. Oktober vorgeführt wurde. 1911 absolvierte er die Rekrutenschule als Ballonpionier. Er erkrankte an Typhus und musste seine Flugversuche für längere Zeit einstellen. 1912 baute er einen weitern Eindecker, der 30 PS hatte, eine Geschwindigkeit von 95 Stundenkilometern erreichte und sich gut bewährte. –
Im «Zürcher Tages Anzeiger» vom 4. November 1912 stand zu lesen:
Flugfeld Dübendorf
Der Flieger Rech aus Langenthal machte am Sonntag von Dübendorf aus mit seinem Eindecker eigener Konstruktion einen sehr gelungenen Flug über Wangen und landete nach einem Gleitflug unter grossem Beifall des zahlreichen Publikums wieder im Aerodrom. Der von Rech konstruierte Jahrbuch des Oberaargaus, Bd. 6 (1963) Dübendorf, 3. Mai 1913. Ernst Rech auf dem Eindecker Rossier-Kunkler zeichnet sich besonders durch grosse Geschwindigkeit, sowie durch einfache und solide Konstruktion aus Fünf Tage später meldeten viele Zeitungen, dass Rech das Piloten-Brevet erworben hatte.
Dübendorf, 9. Nov.: Ernst Rech aus Langenthal hat Samstag nachmittag auf dem hiesigen Flugplatz die für das Piloten-Brevet vorgeschriebenen Flugleistungen ausgeführt. Auf seinem sechzigpferdigen Sommer-Zweidecker stieg Rech gegen 4 Uhr auf und absolvierte in 2 tadellosen Flügen, zu denen er je eine Viertelstunde benötigte, die vorgeschriebenen Achterschleifen mit einer Zwischenlandung. Rech hat somit als erster in diesem Jahre Anwartschaft auf das Pilotenpatent und den dafür ausgesetzten Preis
des Ostschweizerischen Vereins für Luftschiffahrt. Am Dienstag war er mit demselben Apparat in bedeutender Höhe über Dübendorf und Wangen weggeflogen, und am Freitag war der Pilot trotz Schneeschauern zwanzig Minuten in den Lüften verblieben. Ende November startete Rech dann zu seinem grossen «Fernflug» von Dübendorf nach Langenthal. Er durfte dieses Wagnis wohl unternehmen, wurde doch seiner Flugtüchtigkeit ein beredtes Zeugnis ausgestellt:
Aerodrom Dübendorf. E. Wenn unser bester Flieger täglich ohne Rücksicht auf die Witterung seinem Metier obliegt, so setzt es kaum mehr in Erstaunen, wenn Ernst Rech die gegenwärtigen prächtigen Tage zu eifrigem Training benützt. Er hat darin auf seinem Doppeldecker schon eine solche Fertigkeit erlangt, dass man sich ruhig seiner Führung anvertrauen und mit ihm einen Passagierflug wagen darf. Alle Sportsleute und sonstige Freunde der Aviatik seien auf diese günstige Gelegenheit aufmerksam gemacht und gebeten, sich auf dem Aerodrom persönlich mit dem Flieger in Verbindung zu setzen. Wenn auch der Fernflug, den Rech am 26. November unternahm, nicht voll gelang, so wurde ihm doch in der Zeitung grosse Anerkennung gezollt:
(Korr.) Bekanntlich war Ernst Rech vom Aerodrom Dübendorf aus am Dienstag nachmittag zu einem grössern Überlandflug aufgestiegen, der ihn nach Langenthal und Bern bringen sollte. Leider ist der grossartige Plan nicht ganz gelungen, indem der kühne Flieger in Winznau bei Olten niedergehen musste, da der Motor heissgelaufen war; die Landung, die viel Volk anlockte, erfolgte glatt und sicher. Die schöne Leistung stellt immerhin einen schweizerischen Rekord der Überlandflüge dar, denn die Strecke, die Rech in 45 Minuten durchflog, misst 63 Kilometer, während Maffeis Luzerner Flug 35 Kilometer ausmachte. Der Aviatiker ist entzückt von dem prächtigen Flug; begeistert erzählte er selbst von der Begeisterung der andern, die er hoch aus der Vogelperspektive zu ihm hinaufwinken sah (er flog durchschnittlich in 1000—1200 Meter Höhe). Die Luftreise ging über Seebach–Wettingen–Baden–Aarau, teils der Aare und der Bahn entlang und dürfte in jener Gegend nicht wenig dazu beigetragen haben, das Interesse für die Aviatik zu fördern. Das Oberaargauer Tagblatt meldete einen Tag später, dass Rech um 3 Uhr 10 in Dübendorf gestartet ist und fährt dann ergänzend fort:
Wie wir vernehmen, handelt es sich bei der Ursache des Unterbruches des Fluges um einen Motordefekt, der durch «Berna» in Olten gehoben werden wird. Rech langte etwas vor 4 Uhr in Winznau an, nachdem er von Baden an dem eingeholten Schnellzug folgte.
Der Defekt war nicht zu beheben, und die Maschine musste nach Dübendorf zurücktransportiert werden. Zum erstenmal war vorhin die Rede von der Begeisterung der Beobachter, und wir möchten die Reaktion der Menschen vor 50 Jahren auf die Aviatik mit ein paar Zeitungsausschnitten illustrieren:
Flugtag in Olten. Wie die Liestaler Blätter melden, haben an die 10 000 Personen dem dortigen Flugtag vom letzten Sonntag beigewohnt. Der finanzielle Ertrag soll ein über Erwarten günstiger sein. Da ist zu erwarten, dass sich auch der künftigen Sonntag in Olten stattfindende Flugtag eines guten Besuches aus Olten und der Nachbarschaft erfreuen wird. Das umso mehr, als die Eintrittspreise vom Organisationskomitee bedeutend niedriger als in Liestal, nämlich zu 1 Fr. und 50 Cts. festgesetzt wurden. Auch der Umstand, dass sich für den Oltner Flugtag ebenfalls ein bewährter Flieger zur Verfügung gestellt hat, dürfte das Publikum zu zahlreichem Besuche aufmuntern. Hr. Rech ist seit drei Jahren Lehrer an der Fliegerschule in Dübendorf; dass seine dortige Tätigkeit Anerkennung findet, geht daraus hervor, dass Hrn. Rech von der deutschen Militärverwaltung die Leitung einer deutschen Militärflugschule angeboten ist.
Man muss bedenken, dass ein Eintrittspreis von anderthalb Franken damals recht viel Geld war. Aber Fliegen war ein Ereignis, das alle Menschen anlockte — sogar an Arbeitstagen:
Wangen a. A., 31. März. (Korr.) Am Montag hatten auch wir «Flugtag». Der Aviatiker Rech aus Langenthal hatte dem Komitee in Wangen zugesagt, einen Flug durch das Bipperamt zu unternehmen und in Wangen Jahrbuch des Oberaargaus, Bd. 6 (1963) zu landen. Etwa um 3 Uhr nachmittags rührte im Städtchen ein Tambour seine Trommel und kündigte an, Herr Rech werde um 4 Uhr im Moos landen. Da bekamen die Leute das Fieber. Bureaux, Fabriken und Werkstätten leerten sich, und Jung und Alt strömte dem Moos zu. Um 4 Uhr hatte sich eine gewaltige Menschenmenge aus dem ganzen Bipperamt angesammelt; allein, unterdessen hatte ein heftiger Westwind eingesetzt und man fing an zu zweifeln. Da, gegen 5 Uhr ertönte es von der fortwährend gegen den Himmel blickenden Menge: er kommt. Und kaum hatte man ihn entdeckt, hat er schon glücklich gelandet. Nach kurzem Aufenthalt stieg Herr Rech wieder auf und verschwand in der Richtung Herzogenbuchsee, vom Wind gewaltig geschüttelt.
Am 30. März 1913 fand in Langenthal ein Flugtag statt. Das Oberaargauer Tagblatt brachte zu diesem Ereignis einen langen Bericht. Viele Langenthaler — darunter bekannte Namen — wagten sich zum erstenmal in die Lüfte, und alle sollen ihren Flug genossen haben:
Ein herrlicher Frühlingstag — man hätte glauben können, das Organisationskomitee sei in der Lage gewesen, sich der extra guten Laune des Wettergottes zu versichern — brach am Sonntag an und kurz nach Mittag begann die Völkerwanderung nach dem Startplatz auf dem Hard. Tausende eilten herbei aus nah und fern und bevölkerten das Hardfeld, während Scharen von Drückebergern die umliegenden Höhenzüge bataillonsweise besetzten.
Herr Rech hatte seine beiden Apparate schon am Freitag Abend und Samstag Nachmittag, sobald sie montiert waren, in prächtigen Flügen über die Ortschaft und das Flugfeld ausprobiert und die Eleganz und Sicherheit, mit der er die Riesenvögel zu ihrem Spaziergang durch die Lüfte zwang, verhiessen einen vollen Erfolg für Sonntag. Die Zuschauermenge war aber inzwischen so angewachsen, dass Herr Rech sich entschloss, kurz nach halb 2 Uhr schon einen ersten Aufstieg mit dem Eindecker «Kunkler» auszuführen.
Die Harmoniemusik marschierte gerade mit klingendem Spiel auf dem Flugplatz ein, als der kühne Aviatiker sicher und glatt landete, begeistert begrüsst vom brausenden Beifall der hingerissenen Menge …
Und schon setzt man sich für den Mitbürger ein, über den «spöttische Bemerkungen in wahlloser Art und Zahl hergefallen» waren, dessetwegen «aber auch ernste Mitbürger in gutgemeinter ehrlicher Kritik das Haupt geschüttelt» hatten:
Einen Misston in den in jeder Beziehung gelungenen Flugtag bemüht sich ein H-Korrespondent des «Berner Intelligenzblattes» zu werfen, indem er dort hämisch schreibt: «Von Burgdorf ging Bider an den Flugtag nach Langenthal, und die Langenthaler scheinen froh gewesen zu sein, dass sie wenigstens Bider fliegen sahen.» Wir weisen diese Infamie unserm Flieger Herrn Rech gegenüber in tiefster Entrüstung ab, auch für den Fall, dass der Herr H. ein brotneidiger Burgdorfer sein sollte. Um die Flugsicherheit war es freilich nicht zum besten bestellt. Anlässlich des Flugtages in Langenthal verstummte plötzlich ein Flugzeug, das in Richtung Aarwangen flog. Rech stürzte sich in ein Automobil und raste der Unglücksstelle zu. Kurze Zeit später brachte er Pilot und Passagiere heil zurück. Er selber war am 18. Dezember 1912 nur mit Glück einem Absturz entgangen:
Aerodrom Dübendorf. (Korr. vom 18. Dez.). Heute abend vier Uhr probierte der Aviatiker Rech den seit dem Sturz des Aviatikers Kunkler wiedererbauten Monoplan Rossier. Nach einem kurzen Fluge in der Höhe von 150 Meter neigte sich der Apparat plötzlich stark auf eine Seite, stürzte gleich darauf vornüber, drehte sich um sich selbst und fiel bis auf zirka 20 Meter hinunter, um sich im gleichen Moment wie durch ein Wunder wieder in Fluglage zu stellen. Es ist einzig und allein nur der Tüchtigkeit und Kaltblütigkeit des Piloten zuzuschreiben, dass der schaurig anzusehende Sturz mit einem ganz minimen Materialschaden endete.
Dann, am 3. Mai 1913, konnte sich Rech nicht mehr retten. Aus Berichten von Augenzeugen ist zu entnehmen:
Unmittelbare Augenzeugen der Katastrophe vom letzten Samstag erzählen, dass Ernst Rech mit Aufbietung aller seiner Kraft den Sturz verhindern wollte, indem er die Flächen verwand, was ihm bereits letzten Herbst auf dem gleichen Apparat vor einem grösseren Unglück bewahrt hatte. Doch diesmal herrschten ziemlich heftige und unregelmässige Böen, die dem Pilot zum Verhängnis wurden. Nach einem gelungenen Probeflug und nachdem alles nachkontrolliert worden war, stieg er sofort zu grosser Höhe an und wurde einige hundert Meter ausserhalb des Flugfeldes von einem tückischen Windstoss erfasst und trichtermässig aus mindestens 200 Meter
zu Boden geschleudert. Kunklers Apparat ist total zertrümmert bis auf einen Flügel und den Motor, der bis zum letzten Augenblick gearbeitet hatte …
Aus «Langenthaler Tagblatt», Sunndigpost Nr. 16, vom 4. Mai 1963.
Jahrbuch des Oberaargaus, Bd. 6 (1963)
Ansichtskarten
A
A
A
Aviatiker Rech
Flugzeug:
Datum:
Publisher: Pleyer, Zürich
Nr.: 19
Format: Klein
A
A
A
Links
A
Ernst Rech
* 11.8.1891 in Langenthal
† 3.5.1913, in Dübendorf/Zürich